„Offener Brief“

Am 19.02.19 hatte der Rat die z. Zt. gültige „Satzung über die Erhebung von Kostenersatz und Entgelten für Einsätze und Leistungen der Freiwilligen Feuerwehr“ beschlossen. Die Satzung regelt den Kostenersatz in den Fällen, in denen der Brand vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wird oder wenn der Fahrzeug-/Anlagenbesitzer im Rahmen der Gefährdungshaftung haftet. Bisher üblich waren kleinere Schadensfälle (Beseitigung von Ölspuren) in der Größenordnung von insgesamt unter 10.000 € pro Jahr. Diese „Kleinschäden“ werden von den Versicherungen problemlos erstattet. Bei einem „Großschaden“  (z.B. Brand einer Autowerkstatt) kann es für die Rechtsabteilung einer Versicherung lohnend werden, den Schaden durch Prüfung der Rechtmäßigkeit der Satzung zu verringern.

Der Beschluss erfolgte mehrheitlich gegen die Stimmen der MFN-Fraktion. Wir hatten bereits damals darauf hingewiesen, dass Zweifel an der Berechnung der Kosten entstehen können. Da nur tatsächlich durch Einsätze verursachte Kosten gefordert werden können, wurden zur Ermittlung der Kostenerstattung für die Einsatzstunde eines Fahrzeugs die anrechenbaren Kosten für Fahrzeuge durch die Einsatzstunden geteilt. Die außerhalb von Einsätzen entstehenden Kosten sind nicht anrechenbar. Zu Vereinfachung der Berechnung wurde mit der Formel Nutzungsstunden = 120 % der Einsatzstunden gearbeitet.
Die pauschale Anwendung dieser Formel erschien uns bei 3 Fahrzeugen nicht sinnvoll:
– Kdo-Wagen
Die in der Kalkulation verwendeten Werte ergaben einen Betriebsstoffverbrauch von ca. 40 € pro Stunde.
– Mehrzweckboot und Quad
Nur 1,6 Std pro Jahr waren für Einweisungs- und Übungsfahrten angesetzt.
Konkrete Werte lagen damals noch nicht vor. Bei einer Neukalkulation können Werte aus 2018/2019 verwendet werden.

Damals hatten wir nur Bedenken, ob die Satzung rechtlich haltbar ist. Inzwischen wissen wir: Bereits die falsche Berechnung eines einzelnen Fahrzeugtyps kann bei einer rechtlichen Prüfung der Satzung zu deren Nichtigkeit führen.

 VerwG Münster – 1 K 1217/11-, Leitsatz zum Urteil v. 23.01.2012:
„Legt eine Gemeinde der in einer Satzung geregelten Kosten­berechnung eines Feuerwehreinsatzes eine fehlerhafte Kalkulation zugrunde, führt diese nicht nur zur Nichtigkeit des pauschalierten Stundensatzes, sondern zur Gesamtnichtigkeit der Feuerwehr­kostensatzung.“

Sollte anlässlich eines „Großschadens“ die bestehende Satzung von der Rechtsabteilung einer Versicherung geprüft werden, besteht also die Gefahr einer Nichtigkeitsfeststellung durch das Verwaltungsgericht. Die Stadt bekäme dann keine Kostenerstattung. Eine nachträgliche Änderung der Satzung ist unzulässig.

Die Satzung soll spätestens im Rhythmus von drei Jahren oder bei Änderungen neu kalkuliert werden. Nachdem Bürgermeister und Ratsmehrheit am 19.02.19 aus sachlich nicht begründbaren Motiven unseren Antrag abgelehnt hatten, war Mitte 2019 der richtige Zeitpunkt, um dem Rat eine neue Chance für verantwortungsvolles Handeln zu geben. Wir beantragen deshalb:

„Im Rahmen der jährlichen Prüfung der Gebührenkalkulationen wird auch die „Satzung über die Erhebung von Kostenersatz und Entgelten für Einsätze und Leistungen der Freiwilligen Feuerwehr“ überarbeitet. Dabei sind für Kdo-Wagen, Quad und Mehrzweckboot realistische Nutzungsstunden anzusetzen.“

Für Quad und Mehrzweckboot können jetzt aktuelle Zahlen verwendet werden. Für den Kdo-Wagen brauchten wir noch ein überzeugendes „Ratsmitglied-sicheres“ Argument. Das lieferte die Akteneinsicht:
Die in 2018 gefahrene Strecke kann nur mit einer weit über 200 km/h liegenden Durchschnitts­geschwindigkeit in den in der Kalkulation verwendeten Nutzungs­stunden zurückgelegt werden.

Dass unser Antrag Bürgermeister und Ratsmehrheit nicht gefallen wird, war absehbar. Er kam aber auch zu einer skurrilen Reaktion: Dem „Offenen Brief“ der Löschgruppenführer.
Wer diesen Offenen Brief liest, erfährt von dem Unmut der Feuerwehr über eine Akteneinsicht der MFN-Fraktion in das Fahrtenbuch des Kdo-Wagens.
Die Feuerwehrkameraden hatten „im Zuge des jüngsten Einsatzgeschehens“ davon Kenntnis erhalten. Im Klartext: Sie wurden vom Wehrleiter darüber „informiert“. Der Wehrleiter hat sie aber nicht sachlich informiert, sondern seine sehr eigene persönliche Sicht vermittelt. Danach richtet sich ein „unausgesprochenes Misstrauen“ der MFN gegen den Wehrleiter.

Mit seiner Aufforderung an die Löschgruppenführer, sich mit dem Offenen Brief solidarisch auf seine Seite zu stellen, hat Herr Latz der Wahrheit einen guten Dienst erwiesen. Seine unberechtigten Vorwürfe gegen MFN kamen so an die Öffentlichkeit. Sie können unvoreingenommen und sachlich geprüft werden. Wir hatten die Wehrleitung und die Löschgruppenführer zu unserer Fraktionssitzung am 19.08.19 eingeladen und konnten den Zweck der Akteneinsicht und unsere Absicht erläutern. Zumindest teilweise trafen wir auf Verständnis. Zu einer Änderung oder Ergänzung ihres Offenen Briefes konnten sich die Löschgruppenführer aber noch nicht aufraffen.

Offen bleibt die Frage, ob die Ratsmehrheit es diesmal schafft sachlich zu entscheiden. Aber auch wenn der Antrag wieder abgelehnt wird, handeln wir weiter nach unserer Verpflichtung „Schaden von der Stadt Nideggen abzuwenden“.

Erwin Fritsch, 27.08.19