Wohnraum schaffen
Innerhalb aller Ortsteile gibt es Baulücken. Von ca. 8.000 Grundstücken sind ca. 400 noch nicht bebaut. Diese Grundstücke verbleiben im Besitz von Familien, die sich noch nicht für eine Bebauung entscheiden konnten. Ab 2025 kann die neue Grundsteuer C für baureife unbebaute Grundstücke erhoben werden. Sie soll die Grundstückseigentümer zur Bebauung oder zum Verkauf an Bauwillige veranlassen. Wir haben die Einplanung im Haushaltsplan im Jahr 2025 erreicht, damit die Grundstückseigentümer rechtzeitig auf die notwendige Entscheidung vorbereitet werden.
Wir haben über 20 Jahre alte Bebauungspläne, die auf Erschließung warten. Auch dort, wo die Eigentümer auf Erschließung drängen, hat sich wenig getan. Im Baugebiet B-2 in Berg wurde sie mehrfach angekündigt, aber immer wieder verschoben. Auf einen Investor zu warten, der alles aufkauft und erschließt, ist bequemer.
Nun soll nördlich des Schulzentrums auf ca. 15 ha ein neues Wohngebiet „Schmittbüchel“ für ca. 1.000 Einwohner entstehen. Die Realisierung erfolgt nach dem „Best Practice“ Prinzip:
Wenig Arbeit für die Verwaltung – viel Gewinn für den Investor.
Der bisher bekannte Planungsstand ist auf den ersten Blick überzeugend:
- Ökologisch vom Feinsten.
- Niederschlagswasser versickert.
- Pumpen holen die Wärme aus Tiefbohrungen. Das Warmwasser geht zu den Gebäuden.
- In den Gebäuden sorgen Wärmepumpen für Heizung und Warmwasser. Kamine und andere Heizungen werden dort verboten.
- Ein ca. 1 ha großer Solarpark sorgt für den Strombedarf der Tiefenbohrung und der Wärmeverteilung zu den Häusern, wenn die Sonne scheint.
Die Nachteile:
- Das Gebiet wird komplett von der Strompreisentwicklung in Deutschland abhängig sein. Also vom Fortschritt der Ampelkoalition, von dem die Koalition jetzt schon erkennt, dass er länger als 4 Jahre dauern wird.
- Die Grundstückspreise werden für junge Familien aus Nideggen kaum leistbar sein.
- Die sind ja dort auch nicht wirklich gewollt. Die Kämmerin umschreibt das elegant: „Unsere größte Einnahmequelle ist der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer. Diese lässt sich nur durch adäquaten Zuzug ins Gemeindegebiet stärken.“
Also:
- Das ideale Wohngebiet für gut verdienende ökologisch gesinnte Doppelverdiener aus umliegenden Städten, die täglich mit dem SUV ihre Kinder zur Kita bringen und dann zu ihrem bisherigen Arbeitsplatz fahren.
- Wieder zu Hause angekommen, können sie dann einen Blick auf den Stromzähler werfen und eine höhere Pendlerpauschale fordern.
Es klemmt:
- Etliche Grundstückseigentümer wollen auch ein Stück vom Kuchen und verlangen Preise, die der Investor nicht zahlen will.
- Wenn ein Bürgermeister sich da einmischt und „vermittelnd“ tätig wird, begibt er sich in eine Grauzone, in der nicht mehr klar ist, ob er im Interesse Nideggens oder in seinem oder dem des Investors handelt.
- Wenn er künftig auch noch Mitarbeiterinnen mit der „Vermittlung“ beauftragt, wird die Grauzone deutlich dunkler.
- Wenn er behauptet, dass der Investor Schadensersatz bei einem Abbruch wegen zu hoher Forderungen der Grundstückseigentümer fordern könne, passt das nicht zu der Beschlusslage im Bauausschuss. Der Investor müsste sich auf mündliche Zusagen berufen können. Wer ist dann der Schädiger?
Und nebenbei:
- Wollen wir, dass der Ortsteil Nideggen schlagartig um ein Drittel wächst?
- Wollen die Nideggener das?
Straßenerneuerungsprogramm
Der Bürgermeister hatte das ungelöste Straßenerneuerungsproblem von seinen Vorgängern geerbt. Nach Amtsantritt ging er es schwungvoll und dynamisch an. Passiert ist: nichts (von einem Sonderfall abgesehen). Die Standard-Erklärung „coronabedingt“ zieht hier nicht. Der Bürgermeister ist länger im Amt als Corona.
Im Haushaltsplanentwurf sind nun wieder alle betroffenen Straßen detailliert mit Angaben zu Ausgaben und Einnahmen (=Anliegerbeiträge) aufgelistet. Aber:
- Alle Planansätze in 2022 sind dort gar nicht mehr realisierbar, sie müssen in die Folgejahre übertragen werden.
- Alle Zahlen wurden vor mehreren Jahren geschätzt und unverändert jährlich weitergeschoben.
- 2021 wurde eine Straßenzustandsbefahrung durchgeführt, um objektive Daten zum Straßenzustand als Planungsgrundlage zu ermitteln. Die Daten sind verfügbar, aber noch nicht ausgewertet. Auf die Planung hat sich das Ergebnis noch gar nicht ausgewirkt.
Mit diesen Zahlen kann man nicht ernsthaft einen Plan vorlegen. Ehrlicher wäre es, in einer Zeile die geschätzte Summe für das Programm einzustellen und im Text auf die Problematik hinzuweisen.
Fördermittel
EU, Bund und Land verteilen die Mittel, um gezielt Entwicklungen zu fördern. Die Mittel fehlen in den normalen Zuweisungen. Die Kommunen verlieren dadurch Handlungsspielraum. Ein erheblicher Teil der Fördermittel landet nicht in den Projekten, sondern ernährt das Fördermittel-Management.
Negativ-Beispiele:
- Das EU-LEADER-Projekt soll den ländlichen Raum stärken. Von diesem Projekt ernähren sich auch hauptamtliche Manager, die händeringend nach Möglichkeiten suchen Fördergeld auszugeben. Die „Mitfahr-Bänke“ in den Ortsteilen stehen völlig ungenutzt als Denkmäler für eine von vorneherein erkennbare Geldverschwendung. Nideggen hat rund 5.000 € Eigenanteil dafür bezahlt.
- NRW bezahlt Kunstrasenplätze für je 165.000 € auch für Vereine, die mangels Nachwuchs mit Mühe und Not den Spielbetrieb aufrecht erhalten.
- Der Radweg Schlehbachtal von Brück nach Schmidt soll für 1.125.000 € ausgebaut werden.
- Mit dem Programm Sternenblicke will der Nationalpark die Region zur Sternenregion ausbauen. Natürlich mit Fördermitteln. Besucher können sich in den Sternenblicken auf Bänke setzen, sich auf Schautafeln über Sternbilder informieren und die Milchstraße bewundern. Mit einer App auf dem Handy geht das auch. Für den Sternenblick in Schmidt hat der Bürgermeister 12.000 € Eigenmittel zugesagt. Ein bescheidener Betrag, der es ihm nicht wert war einen Beschluss zu beantragen. Aber: Völlig überflüssig!
- Um Klimaschutz-Fördermittel zu erhalten, brauchen wir ein Klimaschutzkonzept. Wir haben eines bezahlt. Eine Firma hatte das Geschäftsmodell erkannt und erstellte es „in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Nideggen“. Das fertige Konzept wurde ungelesen auf die Nideggener Web-Seite gestellt. Nur: Beim schon mehrfach verkauften Text wurde vergessen einige Ortsbezeichnungen aus Rheinland-Pfalz durch „Nideggen“ zu ersetzen. Das störte überhaupt nicht. Für Fördermittel-Anträge reicht der Verweis auf das Konzept einer renommierten Firma.
Wir kommen ohne Fördermittel nicht aus. Wir können den Fördermittelunsinn nicht ändern. Wer nicht mitmacht, bekommt nichts.
Aber:
- Auch Fördermittel sind Gelder, die wir Steuerzahler bezahlt haben und mit denen wir verantwortungsvoll umgehen sollten.
- Es kommt darauf an, nicht hinter jedem Fördertopf herzujagen und dann auch noch die Folgekosten zu vergessen.
Nationales Projekte Städtebau
Projekt: „Denkmallandschaft Nideggens Toren“
Das Projekt besteht aus:
- Machbarkeitsstudie Entdeckersteg (Ein Baumwipfelpfad zwischen Jugendherberge und Parkplatz).
- Konzeption und Umsetzung des Entdeckerpfads (Ein Rundgang durch die Altstadt entlang der Stadtmauer).
- Sanierung der Stadtmauer.
- Neugestaltung und Sanierung Innenstadt und Marktplatz.
- Umgestaltung des Alveradisparks (Rechts vom Zülpicher Tor sollen die Grünflächen entlang der Stadtmauer zum Park aufgewertet werden).
Das 4,2 Mio. € Projekt war bei der Auswahl erfolgreich. Für so ein ambitioniertes Projekt überreichen Politiker eben gerne einen Förderbescheid. Das Projekt wurde ausreichend bejubelt. Der Eigenanteil kostet mindestens in Punkten Grundsteuer B: 2022 noch 4, in 2023 23 und 2025 43 (fast die Hälfte der Steigerung Grundsteuer B).
Dabei sind die Zahlen noch zu niedrig angesetzt. Sie beruhen auf einer 2 Jahre alten Schätzung. Die Grundstücke für den Alvaridespark wurden teuerer – die Eigentümer haben den Jubel über die Fördersumme auch gehört.
Weitere Preissteigerungen sind jetzt schon vorhersehbar. Fest steht nur: Die Fördersumme bleibt gleich. Jede Mehrausgabe geht zu Lasten der Stadt.
Wir halten nur einzelne Teile des Projektes, Sanierung Stadtmauer und Barrierefreiheit im Altstadtkern, für wirklich sinnvoll und notwendig.
Besonders zweifelhaft ist der Wert der Machbarkeitsstudie Entdeckersteg. Für ca. 90.000 € werden wir die Antwort bekommen, dass sie „machbar“ ist. Dazu den Hinweis, dass sie für einen bescheidenen Betrag in Mio-Höhe realisierbar sei. Diese Summe wird bewusst klein gerechnet sein, damit wir vielleicht den Folgeauftrag an das gleiche Ingenieurbüro vergeben. Kostensteigerungen können dann locker mit Preissteigerungen erklärt werden. Das werden wir uns nicht leisten können. Eine „Finanzierbarkeitsstudie“ brauchen wir für diese Erkenntnis nicht. Also bleibt die Studie liegen, bis es einen passenden Förderaufruf gibt, in den wir dann mit zu geringen Bedarfszahlen einsteigen. Völlig ignoriert werden wieder einmal die Folgekosten.
- Was bringt uns das nationale Projekt?
- Was haben die Einwohner Nideggens davon?
Gewaltige Mehreinnahmen aus der Tourismussteigerung werden erwartet.
Auch dafür gibt es eine passende Studie. Die Firma dwif (Eigenwerbung: „Wegweisend in der Tourismusberatung“) hat sie erstellt. Auf etliche Annahmen (die man nicht hinterfragen sollte) gestützt, setzt sie ein mathematisch korrektes Rechenwerk, das zu phantastisch hohen Zahlen für den Mehrwert der Tourismusförderung führt.
Reale Zahlen sehen anders aus: Die Kämmerin schätzt die jährlichen Einnahmen aus Übernachtungssteuer (ohne Jugendherberge) und Gewerbesteuer im Stadtteil Nideggen auf insgesamt ca. 80 T€.
Auch wenn sich die Touristenzahlen verdoppeln sollten, bringt das weniger als uns der durchschnittliche jährliche Eigenanteil kostet.
- Ein traumhaft schönes Projekt!
- Wir können es uns nicht leisten!
- Wir können die Finanzierung nicht verantworten.
- MFN, Grüne und FDP haben dem Fördermittelantrag nicht zugestimmt.
Steuersätze:
Die Steuersätze steigen im Vergleich zu 2021:
- Gewerbesteuer: ab 2022 um 9 %
- Grundsteuer A (Landwirtschaft): ab 2022 um 20%
- Grundsteuer B (Gebäude): ab 2022 um 5 %, ab 2023 um 8 %, 2025 um 12 %
Bei Grundsteuer B ist der Hebesatz-Ertrag je Hebesatzpunkt über die Jahre fast gleichbleibend eingeplant. Er könnte wegen der Bautätigkeit deutlich erhöht und die Steigerung des Steuersatzes verringert werden. - Grundsteuer C (ab 2025 für baureife unbebaute Grundstücke zulässig) war im Entwurf noch überhaupt nicht eingeplant. Das wird korrigiert.
Dass wir einem Plan mit Steuererhöhungen nicht zustimmen, wird keiner erwarten. Den Bürgermeister kann das kalt lassen: Mit der Mehrheit von CDU und SPD geht der Plan garantiert durch.
Das war unsere Meinung nachdem wir den Haushaltsentwurf gelesen hatten. Heute habe wir erfahren, dass sich die Summe aus Kreis- und Jugendamtsumlage z. B. in 2022 nicht von 8.945.636 auf 9.324.580 sondern auf 9.661.580 erhöht. 337.000 € mehr wegen „einem technisch-menschlichen“ Fehler.
Wir werden unsere Meinung neu bilden müssen.
Erwin Fritsch, 16.02.22