Stark oder nur rücksichtslos?

Im Kommentar „Ein Diktat, kein Plan“ zu Trumps Nahost-Plan, der am 30.01.2019 in den Dürener Nachrichten erschienen ist, führt der Verfasser aus:
…“ Die USA geben endgültig ihre Rolle als ehrlicher Makler auf, Trump erklärt das Recht des Stärkeren zur Norm.“…
Diese Formulierung ist nach meinem Verständnis nicht zutreffend.
Besser wäre es hier, „das Recht des Rücksichtslosen“ zu schreiben.

Wahrhaft stark ist nach meinem Verständnis ein unbeugsam ehrlicher Mensch, der etwas aushalten, sich selbst beherrschen, an Regeln halten, seinen Verstand gebrauchen, seinen Freund um Nachsicht bitten und seinem Feind in Not helfen kann.

Der Umstand, dass der Rücksichtslose seine Handlungen gegebenenfalls wenn nötig mit Gewalt rechtfertigen oder sich seiner Verantwortung entziehen kann, darf nach meinem Verständnis nicht dazu führen, ihm Stärke zu bescheinigen.

Zu meinem Bedauern stelle ich zunehmend derart unbedachte falsche Formulierungen fest, in denen Rücksichtslose zu Starken werden.
Die daraus sich ergebenden Folgen in unserer Gesellschaft halte ich für fatal.

Nur ein Beispiel:
Eine Tagesschausprecherin bedauert, dass sich im Straßenverkehr leider nur die Starken durchsetzten.
Alle Rücksichtslosen, die sie vermutlich meint, können sich wegen ihrer Aussage nun stark fühlen.
Alle wirklich starken Verkehrsteilnehmer, die sich selbst beherrschen, an Regeln halten, Rücksicht nehmen und damit Unfälle verhüten, müssen sich die Frage stellen: „Bin ich schwach?“

Rücksichtslose ohne Gewissen und ohne Verstand fühlen sich stark und die Gesellschaft bestärkt sie in ihrem Denken.
Schade!

Heinrich Esser, 03.02.20