Rat 18.02.20

Der Rat: Vorübergehend ratlos.

Normalerweise ist der Zuschauerraum leer. Diesmal nicht, er war voll. Einige Bürger waren zum TOP „Bebauungsplan Berger Acker“ gekommen. Zusätzlich hatte Herr Schmunkamp dafür gesorgt, dass fast alle städtischen Mitarbeiter anwesend waren. Er wollte Ihnen zeigen wie ein gestandener Bürgermeister eine Sitzung leitet: routiniert, sachlich orientiert und politisch neutral. Das konnten sie dann auch bewundern.
In einer Beschlussvorlage hatte er beantragt, dass der Rat die Hauptsatzung so verändert, dass künftig Sitzungstermine nicht mehr im Amtsblatt, sondern nur noch im Internet bekannt gemacht werden. Dummerweise stand dann in der gleichen Vorlage unter Sachverhalt: „Die rechtswirksame Veröffentlichung erfolgt somit ab dem Jahre 2020 auf der Internetseite der Stadt Nideggen.“ Dass das noch gar nicht beschlossen war, aber bereits praktiziert wurde, stellten wir in der Fraktion bei der Sitzungsvorbereitung fest.

Zu Sitzungsbeginn erklärte ich deshalb:
„Ich bezweifle die ordnungsgemäße Einberufung der Sitzung und damit die Beschlussfähigkeit, weil die Zeit, Ort und Tagesordnung der Ratssitzung vom Bürgermeister nicht rechtzeitig öffentlich bekannt gemacht wurden.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit von Ratssitzungen im § 48 Abs. 2 der Gemeindeordnung kann nur realisiert werden, wenn sie öffentlich bekannt gemacht werden.“

Nun war es erst einmal vorbei mit der Routine: Aufgeregtes Blättern in den Unterlagen bei Bürgermeister und seinen Mitarbeitern. Die Frage an mich: Um welche Paragrafen geht es? Dann das Herbeischaffen des Amtsblattes durch eine Mitarbeiterin.

Nachdem der Rundblick durchblättert worden war erklärte Herr Schmunkamp, dass die Veröffentlichung dort gar nicht notwendig war. Wenn dem so wäre, hätte er den Rundblick nicht holen lassen müssen. Nach einigem hin und her beendete Frau Zentis (Grüne) das Theater mit dem Antrag die Sitzung zu unterbrechen und eine Besprechung des Bürgermeisters mit den Fraktionsvorsitzenden durchzuführen.

§ 48 Abs. 2 der Gemeindeordnung
Die Sitzungen des Rates sind öffentlich.
§ 4 Geschäftsordnung
Zeit, Ort und Tagesordnung der Ratssitzung sind vom Bürgermeister rechtzeitig öffentlich bekannt zu machen. Die Bekanntmachung erfolgt in der Form, die die Hauptsatzung hierfür vorschreibt.
§ 15 Hauptsatzung
1. Öffentliche Bekanntmachungen der Stadt, die durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben sind, werden vollzogen im Amtsblatt für die Stadt Nideggen (Rundblick Rureifel).
2. Zeit und Ort der Ratssitzung sowie die Tagesordnung werden durch Aushang (Anschlag) an der Bekanntmachungstafel der Stadt (Rathaus, Zülpicher Straße 1, 52385 Nideggen) für die Dauer von mindestens einer Woche vollzogen.
2. Ist eine öffentliche Bekanntmachung in der durch Abs. 1 festgelegten Form infolge höherer Gewalt oder sonstiger unabwendbarer Ereignisse nicht möglich, so erfolgt die Bekanntmachung ersatzweise durch Anschlag an der Bekanntmachungstafel der Stadt. Ist der Hinderungsgrund entfallen, wird die öffentliche Bekanntmachung nach Abs. 1 unverzüglich nachgeholt.

Bei diesem „Expertentreffen“ kam es zu keiner Einigung.
Der Bürgermeister fand seinen Rettungsanker in einer etwas eigenwilligen Auslegung des § 15 der Hauptsatzung:
Abs. 1 gilt nicht für die Bekanntmachung von Ratssitzungen. Die sei nur in Abs. 2 geregelt.
Frau Zentis, Herr Hensch (FDP) und ich meinten:
Abs. 1 gilt für alle Bekanntmachungen, Abs. 2 zusätzlich für Ratssitzungen.

Zuzugeben dass er sich irrt, hätte für Herrn Schmunkamp Gesichtsverlust bedeutet. Da riskierte er lieber, dass die Beschlüsse der Sitzung nachträglich wegen Beschlussunfähigkeit durch Kommunalaufsicht oder Verwaltungsgericht aufgehoben werden.

Von uns braucht er weder Eingabe noch Klage zu befürchten. Wir sind mit den anschließend getroffenen Beschlüssen zufrieden. Was wir erreichen wollten haben wir erreicht:

  • Die beiden „Eilanträge“ der SPD wurden nicht in die Tagesordnung aufgenommen. Der eine war völlig überflüssig, der andere ohne jede Dringlichkeit.
  • Die Bürgereingabe zum Bebauungsplan „Berger Acker“ wurde nicht nur in den Ausschuss verwiesen. Der Ausschuss muss die Betroffenen auch anhören. Es gibt gute Gründe für und gegen das Projekt. Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht. Deshalb wollten wir sicherstellen, dass die Anwohner auch im Ausschuss zur Rede kommen.
  • Die Bebauungsplanänderung „S 16 Schmidt“ wurde nicht durchgewinkt, sondern in den zuständigen Bauausschuss verwiesen. Auch wenn ein Projekt allgemein gewollt ist, sind die gleichen Regeln wie bei anderen Projekten anzuwenden.
    Gleichbehandlung ist ein wesentliches Kennzeichen rechtsstaatlicher Verwaltung.
  • Die Mittel „Moderne Sportstätte 2022“ werden entsprechend den Vorstellungen des Stadtsportverbandes verwendet.
  • In der „Satzung über die Ehrung verdienter Bürger der Stadt Nideggen“ wurde „Jeder“ – und nicht nur Fraktionen, Ortsvorsteher und Bürgermeister – vorschlagsberechtigt. Das ist dann das gleiche Vorschlagsrecht wie beim Bundesverdienstkreuz.
    Das Verbot Ehrenurkunde oder Ehrennadel zu verschenken wurde gestrichen. Warum sollte es einem stolzen Opa verwehrt werden seinem Enkel ein Erinnerungszeichen zu schenken?
  • Die Änderung der Hauptsatzung wurde zur Beratung in den zuständigen Haupt- und Finanzausschuss verwiesen. Dort wird dann auch versucht den § 15 „Schmunkamp-sicher“ (auch für ihn verständlich) zu formulieren.
  • Der FDP-Antrag „Schutz der Bürger vor Lärm an der L 246“ wurde nicht in den Stadtentwicklungsausschuss sondern in den zuständigen Bau-, Planungs-, Denkmal- und Umweltausschuss verwiesen.

Dass unsere beiden Einsprüche gegen die Beschlüsse des Bauausschusses vom 10.12.2019 zum Straßeninvestitionsprogramm von der Mehrheit zurückgewiesen wurden, war absehbar. Der Bürgermeister will das das Projekt unbedingt und möglichst schnell durchziehen.

Erwin Fritsch, 21.02.20